Die Grossen Tümmler (Tursiops truncatus) in der nordöstlichen Adria

von | | | 24. Januar 2007

Ergebnisse einer Langzeitstudie, angewandter Umweltschutz und Zukunftsvisionen

Annika Wiemann, M.Sc.
Universität Potsdam, Institut für Biochemie und Biologie

Vortrag am 24. Januar 2007 an der Tierärztlichen Hochschule Hannover in der „Alten Apotheke“

Zusammenfassung

Year of the Dolphin 2007

Dieser Vortrag ist ein Beitrag zum Jahr des Delfins. Das Jahr 2007 ist vom UN-Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wild lebenden Tierarten (CMS – Bonner Konvention), inklusive der speziellen Abkommen zu Walen, Delphinen und Schweinswalen ACCOBAMS und ASCOBANS sowie der Whale and Dolphin Conservation Society (WDCS) zum Jahr des Delphins erklärt worden. Delphine brauchen Schutz. Informieren Sie sich auf der Website www.yod2007.org

Der Grosse Tümmler (Tursiops truncatus) ist eine der weitverbreiteten und bekanntesten Delphinarten der Welt. Trotzdem ist diese Art vielen Gefährdungen wie Umweltverschmutzung, Einschränkung des Lebensraums und anderen menschlichen Einflüssen ausgesetzt.

Im Jahre 1987 wurde auf der kroatischen Insel Lošinj das Adriatische Delphinprojekt (ADP) vom italienischen Tethys Forschungsinstitut gegründet und wird seit dem Jahr 2000 vom kroatischen Plavi Svijet Forschungsinstitut weitergeführt. Mit der Gründung des ADP wurde die erste Langzeitstudie über den Grossen Tümmler im Mittelmeer ins Leben gerufen.

Die Forschungsarbeit des ADP basiert auf Delphinsichtungen im Cres-Lošinj Archipel, Photoidentifikationen der einzelnen Tiere sowie Verhaltensstudien und akustischen Untersuchungen. Durch diese Informationen wurden in den letzten 20 Jahren umfangreiche Daten über die Nutzung der Lebensräume, Sozialverhalten, Lebenszyklus und der genetischen Populationsstruktur generiert.

Das Untersuchungsgebiet umfasst heute ca. 2500km2 und ist geprägt von Felsküste, vielen kleinen Inseln und Riffen sowie wechselnden Tiefen bis zu 100m. Das Gebiet ist verhältnismäßig stark industrialisiert, lebt aber auch weitgehend von Fischerei und Tourismus.

Die Ergebnisse über kritische Lebensräume und Faktoren, die die Verbreitung der Großen Tümmler im Cres-Lošinj Archipel beeinflussen, lassen vermuten, dass menschlicher Lärm einen langfristigen Einfluss auf ihre Verbreitung hat. Hierzu gehören vor allem saisonal bedingte Stressfaktoren wie den rapiden Anstieg von Freizeitbooten. Andere Faktoren die die Wanderung der Delphine beeinflussen, scheinen reproduktions- und nahrungsabhängig zu sein.

Die modellierte Populationsgröße hat in den letzten 12 Jahren um 39% abgenommen und wird nun auf ca. 100 Tiere geschätzt. Tatsächlich belegen die Daten zum Lebenszyklus der Grossen Tümmler, dass die Überlebensrate der Lošinj Delphine im Vergleich zu allen anderen bekannten Grossen Tümmler Populationen signifikant am geringsten ist.

Großer Tümmler. Foto:A. Wiemann

Emigrationsraten zeigen, dass die Tiere ein größeres Gebiet als das Untersuchungsgebiet regelmäßig nutzen, wobei Weibchen ein deutlich höheres Maß an Gebietstreue zeigen als Männchen.

Die Reproduktionsrate ist niedrig und hat in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen. Dies könnte eine Indikator für eine Anpassung an aktuelle Umweltbedingungen wie Nahrungsknappheit und andere Stressfaktoren sein.

Aufgrund der Langzeitstudie und ihrer kritischen Ergebnisse wurde im August 2006 vom Kroatischen Staat das Lošinj Delphin Reservat, das erste Meeresschutzgebiet für Grosse Tümmler im Mittelmeer ausgerufen. Für die nächsten drei Jahre bekommt

Das 526 km2 umfassende Gebiet einen vorläufigen Schutzstatus. Während dieses Zeitraums sollen ein Leitungsorgan und ein Managementplan für ein permanentes Schutzgebiet etabliert werden. Einheimische Bevölkerung und Besucher sollen von einer Kombination von Naturschutz und nachhaltiger Entwicklung der Inseln gleichermaßen profitieren, während die menschliche Belastung in dem Schutzgebiet verringert und kontrolliert werden soll.

Das Lošinj Delphin Reservat ist Teil des kroatischen Ökologienetzwerks und gilt als Zentrum internationaler Bedeutung. Es ist als potentielles Natura 2000 Gebiet nominiert.

Unter den Zukunftsperspektiven des ADP stehen eine Fortführung bzw. Vertiefung der Studien an Grossen Tümmlern sowie weiterführende Umwelterziehung und eine verbesserte Zusammenarbeit mit den verschiedenen Interessensgruppen des Archipels im Vordergrund.

 

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